Die Sprache der Arbeitszeugnisse
27. Juni 2013
„Die Qualität ihrer Arbeitsergebnisse lag über den Anforderungen.“, „Frau Beispiel war sehr fleißig und wusste sich gut zu verkaufen.“ oder „Herr Sowieso war ein Mitarbeiter mit Einfühlungsvermögen“; auf den ersten Blick lassen diese Sätze vermuten, dass sie kompetente, sympathische Arbeitnehmer beschreiben.
In der Sprache der Arbeitszeugnisse diese Aussagen jedoch durchweg negativ. Übersetzt bedeuten die Sätze etwa: „Da geht noch mehr.“, „Frau Beispiel ist eine unangenehme und rechthaberische Besserwisserin.“ und „Herr Sowieso hat sich durch sexuelle Belästigung hervor getan“.
Das Dilemma, das zur standardisierten Zeugnissprache führte
Laut der Gesetzgebung ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet, ein wahrheitsgemäßes und wohlwollendes Arbeitszeugnis auszustellen. So steht in einem qualifizierten Arbeitszeugnis das Verhalten des Arbeitnehmers gegenüber den Kunden, Kollegen und Vorgesetzten. Nun möchte aber nicht jeder Arbeitgeber seinem Mitarbeiter auch ein gutes Arbeitszeugnis ausstellen, wenn er mit diesem nicht zufrieden war. Das Ergebnis dieses Konflikts ist die Zeugnissprache, mit der sich die Personaler untereinander verständigen.
Einfaches Arbeitszeugnis und qualifiziertes Arbeitszeugnis
In dem einfachen Arbeitszeugnis sind unter anderem die persönlichen Angaben, der Anstellungsort, die Funktion und das Arbeitsgebiet aufgelistet. In dem qualifizierten Arbeitszeugnis bewertet der Arbeitgeber zusätzlich die Arbeitsweise, die Leistung, das Engagement, die Loyalität und mehr. Auch wenn das Verhältnis zum Arbeitgeber nicht immer das beste war, ist es sinnvoll, sich ein qualifiziertes Arbeitszeugnis ausstellen zu lassen, da jede Lücke auf den Arbeitnehmer zurückfallen kann.
Ist der Arbeitnehmer der Meinung, dass das ausgestellte Zeugnis die Leistung nicht gerecht beurteilt, kann er es verbessern lassen und notfalls auch anfechten. Hierbei gilt jedoch:
„Aus dem Gesetz (§ 109 GewO) ergibt sich jedoch kein Anspruch auf ein „gutes“ oder „sehr gutes“ Zeugnis, sondern nur auf ein „leistungsgerechtes“ Zeugnis (BAG, Urteil v. 14.10.2003, 9 AZR 12/03). Sie müssen daher gegenüber Ihrem Arbeitgeber und im Streitfall vor Gericht darlegen und beweisen, dass Sie eine überdurchschnittliche Beurteilung verdienen.“ (Trabhardt)
Einige Standardsätze
Da es im Deutschen keinen Superlativ des Wortes „voll“ gibt, lassen einige Arbeitgeber das „vollsten“ aus „Seine Leistungen waren stets zu unserer vollsten Zufriedenheit.“ einfach weg. Das nimmt jedoch direkten Einfluss auf die Beurteilung des Arbeitnehmers. „Zu unserer vollsten Zufriedenheit“ bedeutet nämlich „sehr gut“ wohingegen „zu unserer Zufriedenheit“ „ausreichend“ bedeutet. So machen schon feine Nuancen den Unterschied.
Sehr gute Leistungen werden beispielsweise mit den Wörtern „stets“ und „immer“ sowie passenden Superlativen hervorgehoben.
Auch die Phrase „Wir wünschen ihr/ihm weiterhin viel Erfolg.“ unterscheidet sich rapide von der Bedeutung „Wir wünschen ihr/ihm viel Erfolg.“. Das „weiterhin“ impliziert, dass der Arbeitnehmer bisher Erfolg hatte. Fehlt es jedoch, so sagt es aus, dass der Arbeitnehmer bisher erfolglos war. Derartige Formulierungen setzen die Schulnoten 1 bis 5 sprachlich um.
Da es sehr viel zu beachten gibt, was die Zeugnissprache betrifft, existiert viel Literatur zu diesem Thema und auch viele Internetseiten beschäftigen sich damit, wie zum Beispiel die Seite arbeitszeugnis-sprache.de.
Uncodierte Bewertungen
Nicht jedes Unternehmen entscheidet sich für die Zeugnissprache. Diese ist nämlich umstritten, da sie missverständlich ist und dem Grundsatz widerspricht, dass Arbeitszeugnisse klar formuliert sein sollen. Einige Arbeitgeber bewerten tatsächlich mit den offensichtlichen Bezeichnungen von „sehr gut“ bis „mangelhaft“.
Quellen: staufenbiel.de, arbeitszeugnis-sprache.de
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